Damit Herr und Frau Schweizer im Emmental wandern können, kümmern sich sieben Männer aus dem Verkehrsverein Trub um die Wanderwege. Sie räumen gefallene Bäume weg und bessern die Wege aus – und das freiwillig.
Text: Rahel Schmucki Bilder: Ephraim Bieri
Es ist neun Uhr. Wolken türmen sich dunkelgrau auf. Die kalte Sophie, die letzte der fünf Eisheiligen, weht über die Hügel im Emmental, als Fritz Wittwer (60), der Präsident des Verkehrsvereins Trub, an diesem Morgen durch den Hüttengraben fährt. Er ist unterwegs zur Alp Hochänzi, um mit den Männern vom Verein Wanderwege auszubessern.
Gemäss Bundesgesetz für Fuss- und Wanderwege sind die Gemeinden für den Unterhalt der Wanderwege zuständig, die auf dem Gemeindegebiet liegen. mancherorts verrichten Zivildienstler die Arbeit – in Trub kümmern sich Landwirte und ein Lehrer aus der Region gegen ein kleines Entgelt um die 70 Kilometer Wegstrecke und 80 Ruhebänkli. Aus gutem Grund: «Wir machen das gerne selber, dann wird es auch so, wie wir es haben möchten», erklärt Fritz Wittwer. Ausserdem seien sie einfach eine lustige Truppe.
Wittwer und die sieben Männer
Nach einem letzten steilen Aufstieg zu Fuss erreicht Wittwer die Alp auf gut 1300 Metern Höhe. Raureif liegt stellenweise auf Ästen und Gräsern. Seine sieben Männer warten bereits drinnen am Tisch in der Alphütte von Bauer Walter Baumgartner, der Kaffee serviert. Zu Wittwers «lustiger Truppe» gehören Simon Zaugg, Stefan Baumgartner, Fritz Fankhauser, Jürg Fankhauser, Otto Tschanz und Adrian Zurmühle; sechs von ihnen sind Vorstandsmitglieder des Verkehrsvereins. An diesem Tag hilft auch Feuerwehrmann Heinz Habegger mit.
Die lustige Truppe: Fritz Wittwer (hinten links) macht mit einem Teil seiner Leute eine kurze Pause.
Doch zunächst muss Zeit für einen Schwatz sein. Mitten im Gespräch klingelt Jürg Fankhausers Telefon: «Ja, ja, wir sind schon fast fertig mit der Arbeit», antwortet er. Am Tisch brechen alle in Gelächter aus. Vor ihnen liegt ein ganzer Tag Arbeit. Der Verkehrsverein hat vor einiger Zeit erfahren, dass ein gefallener Baum einen Wanderweg versperrt. Zudem müssen die Männer auf einem steilen Abschnitt die Holzstufen ersetzen und eine Sitzbank erneuern. Aber es eilt nicht, denn draussen ist es «chaut wie nä More», wie Fritz Wittwer sagt.
Als sie aufbrechen, verteilen die Truber Männer die Arbeiten: Heinz Habegger und Fritz Fankhauser sollen sich um den gefallenen Baum kümmern – ein Sturm hat ihn entwurzelt. Wo genau er den Weg versperrt, wissen sie noch nicht. Mit Motorsäge und Spitzhacke gehen sie den Wanderweg entlang und schauen sich die Bäume an: «Dieser hier ist auch schon ziemlich schief, den müssen wir dann wahrscheinlich in zwei oder drei Jahren fällen. Immer diese Borkenkäfer», sagt Fritz Fankhauser.
Mit Motorsäge und Presslufthammer
Hinter der nächsten Kurve entdecken sie die Problemstelle: Ein riesiger Wurzelstock, daran gleich zwei Baumstämme, blockiert den Wanderweg. Sie fachsimpeln und suchen nach einer Lösung. Fritz Fankhauser beginnt, die kleinen Wurzeln mit der Spitzhacke von den Stämmen abzutrennen. Seine lilafarbene Zipfelmütze baumelt im Takt der Hiebe mit. Heinz Habegger macht sich mit der Motorsäge ans Werk.
Aus der Ferne ist das Geräusch einer anderen Motorsäge durch die Wälder zu hören. Einige hundert Meter weiter sind die übrigen Männer mit einem anderen Wanderweg beschäftigt. Fritz Wittwer zersägt eine umgefallene Rottanne und fertigt daraus Holztritte. Derweil lösen Jürg Fankhauser, Simon Zaugg, Otto Tschanz und Adrian Zurmühle mit Schaufeln, Spitzhacken und einem Presslufthammer die morschen Holztritte aus dem steinigen Boden.
Den Strom für die Maschine liefert ein Generator, der auf der Ladefläche eines Transporters steht. Er surrt vor sich hin. Die roten Stromkabel hängen quer über den Hang. «Muesch nochli töifer!», ruft Wittwer Otto Tschanz zu. Er trägt die Bretter nach oben und reicht sie den anderen, die sie in die dafür gegrabenen Löcher einfügen. Dort werden sie mit Steinen und Erde befestigt.
Nach drei Stunden harter Arbeit ist es Zeit für die Mittagspause. Gemeinsam und gut gelaunt wandern die Männer zurück zur Alphütte. Die kalte Bise wechselt sich mit warmen Sonnenstrahlen ab.
Lunchbox und ein Gläschen Weisswein
Im Windschatten setzen sich die Männer auf die Bänke. «Menü eins, gerne!», ruft Fritz Wittwer, und alle lachen, während sie Brot, Cervelats und Sandwiches auspacken. Stefan Baumgarter, der im Sommer neuer Präsident des Verkehrsvereins wird, zieht zwei Flaschen Weisswein aus dem Rucksack und verteilt an alle ein Gläschen.
Vereinspräsident Fritz Wittwer reicht eine Tupperware-Box in die Runde: Schokoladenkuchen mit Kokosstreuseln. «Den hat unsere Kassiererin Beatrice für uns gebacken.» Dazu gibt es für alle Kaffee aus der Thermoskanne. Eine letzte Stärkung, bevor die acht Emmentaler sich wieder ans Werk machen: die Wege ebnen für all die Wanderlustigen, die Erholung im Emmental suchen.
(Artikel erschienen im Migros-Magazin am 27. Mai 2019)