Maya Hadorn hatte nach einem längeren Indonesien-Aufenthalt schon die Tickets für die Heimreise in der Tasche, als sie eine unbewohnte Insel entdeckte – und sich sogleich in sie verliebte. Heute ist sie Pächterin von Pulau Pef und betreibt dort ein Tauchresort.
Text: Rahel Schmucki
Maya Hadorn sitzt im schwarz-grünen Kleid in einem Café in Zürich – Gesicht und Hände sind braungebrannt. Sie packt eine Holzstatue aus. «Die hat mein Hausschnitzer gemacht. Ich habe oft eine als Mitbringsel dabei», sagt sie mit ihrer leicht rauchigen Stimme. Die Statue hat eine lange Reise hinter sich, wie Maya Hadorn auch. Genauer: Sie kommt von einer kleinen indonesischen Insel in Raja Ampat, Westpapua, südlich der Philippinen und nördlich von Australien. Dort hat die 52-Jährige aus Kölliken AG vor gut acht Jahren ihr Tauchresort «Raja4Divers» eröffnet.
Hadorn ist Pächterin der Insel. Doch wie pachtet man eine indonesische Insel? In Raja Ampat gibt es keine Grundbucheinträge, also musste sie zuerst herausfinden, wem die Insel namens Pulau Pef überhaupt gehört. Zusammen mit lokalen Freunden klapperte sie die umliegenden Inseln ab und sprach mit allen Dorfvorstehern. So fand sie heraus: Pulau Pef gehört einer grossen Papua-Sippe mit dem Namen Gaman, die seit eh und je in Raja Ampat ansässig ist.
Verhandeln auf indonesische Art
Nicht nur die Sippe, auch die Vorsteher von 17 Dörfern auf den umliegenden Inseln mussten ihr Einverständnis zum Bau des Resorts geben – mit Unterschrift oder Fingerabdruck in einem dicken Buch. Erst danach konnte Maya Hadorn mit dem Oberhaupt der Gaman-Sippe verhandeln. Die Insel ist für 50 Jahre gepachtet. Alle fünf Jahre steigt die Miete; zurzeit zahlt sie pro Jahr einen hohen vierstelligen Frankenbetrag.
«Wir haben zwar den Boden gemietet, die Kokospalmen gehören aber in Raja Ampat nicht zum Boden», sagt Hadorn. Wenn sie von solchen Missverständnissen zwischen den Kulturen spricht, tut sie das mit viel Respekt und einer Prise Humor. Auch das Hindernis mit den Palmen hat sie auf indonesische Art gelöst: «Wir haben die zwölf Besitzerfamilien ausfindig gemacht und einen ganzen Tag lang mit ihnen auf der Insel über jede Palme einzeln verhandelt.»
Doch damit war den Papua-Bräuchen noch nicht Genüge getan: Ohne eine rituelle Geistervertreibung bauen die Einheimischen kein neues Haus. «Wir haben eine Ziege geopfert, ein Huhn und einen Hahn auf der Insel freigelassen und sind mit dem Boot einmal um die Insel gefahren, um dem Meer gelben Reis, gekochte Eier und Münzen als Opfergaben zu übergeben», sagt Maya Hadorn rückblickend. Nach der Zeremonie gab es ein grosses Fest für alle Nachbarn. «Nur so kann man alle höheren Mächte freundlich stimmen.»
Maya Hadorn hat die Pläne für den Bau der typischen Papua-Hütten – Holz und hohe Stelzen – selber gezeichnet und gemeinsam mit 70 Arbeitern von den benachbarten Inseln umgesetzt. Das Geld für das Projekt hat sie sich von Familie und Freunden geliehen und ihrem Ersparten entnommen – sie hat so viel investiert, wie andere für ein schönes Einfamilienhaus ausgeben. Bereits ein halbes Jahr nach Baubeginn kamen die ersten Gäste.
An einem Tisch mit Gästen und Angestellten
Heute stehen an dem tropischen Strand zehn Bungalows. «Wir haben Platz für etwa 20 Personen.» Rund um die Insel gibt es Riffe und Plätze zum Tauchen und Schnorcheln. Wer lieber über der Wasseroberfläche unterwegs ist, kann die umliegenden Mangrovenwälder mit dem Kajak und den Dschungel zu Fuss erkunden. Mit etwas Geduld entdeckt man hier Papageien, Kakadus, Warane und Kokosnusskrabben.
Neben den Touristen befinden sich nur die 65 Angestellten auf der Insel. Alle essen gemeinsam an zwei langen Tischen in einem Gebäude oberhalb der Lagune: die Gäste, die Tauchguides, die Köche, die Bootscrew, die Zimmermädchen, die Techniker und übrigen Angestellten. Maya Hadorn betont immer wieder: «Zum Aufenthalt in einem anderen Land gehört für mich der Kontakt mit den Einheimischen.» Nur so könne man auch wirklich etwas von der fremden Kultur erfahren. «In vielen Luxusresorts sind die Angestellten fast unsichtbar.»
Die Gäste kommen aus der ganzen Welt. «Mittlerweile buchen viele nach ihrem Aufenthalt für ein nächstes Mal.» Das Resort ist gut ausgelastet, seit zwei Jahren wirft es einen kleinen Gewinn ab. Aber Maya Hadorn denkt nicht an das grosse Geld. Vom ersten Gewinn hat sie den besonders treuen Angestellten einen Bonus ausgezahlt. «Klar, das Geschäft sollte immer gesund sein. Vor allem aber will ich, dass unsere Gäste eine tolle Zeit haben und es meinen Angestellten gutgeht.»
Ihr Abenteuer auf Pulau Pef war nie geplant. Nach drei Jahren als Leiterin in einem Resort in Indonesien wollte sie eigentlich wieder zurück in die Schweiz. Das Flugticket hatte sie bereits gekauft. Zum Abschied nahmen sie ihre lokalen Freunde auf eine Bootsfahrt mit – sie wollten sie dazu bringen, in Raja Ampat zu bleiben und ihr eigenes Resort zu eröffnen. Ihre letzte Hoffnung: Pulau Pef. «Ich habe mich auf den ersten Blick in die langen Strände, die Hügel und das sanfte Grün der wilden Insel verliebt», sagt Maya Hadorn. Ihre Freunde hatten ihr Ziel erreicht.
Eine Liebe auf bestimmte Zeit
Wenn Maya Hadorn zwei- bis dreimal im Jahr in der Schweiz ist, um ihre Familie zu besuchen, gleicht das einer Heimreise. Zwar liebt sie ihre Insel und die Leute, die sie dort für kurze Zeit zurücklässt. «Trotzdem geniesse ich meine freien Tage, an denen ich wieder einmal nur Maya sein darf und meine Privatsphäre habe.»
Auf Pulau Pef sei sie indes für alle «Ibu Maya», was so viel bedeutet wie die Mutter, die Chefin, die sich um alles und um alle kümmert, Tag und Nacht. Ihr gefalle diese Rolle sehr, trotzdem stehe für sie fest: «Ich will irgendwann wieder in die Schweiz zurückkehren.» Wann genau das sein wird, steht noch offen. Bis es so weit ist, kümmert sie sich um die Wünsche ihrer Gäste, um die Geister ihrer Mitarbeiter und um die Mitglieder der Gaman-Sippe, die sie manchmal auf Pulau Pef besuchen, um ein paar Tage zu bleiben.
Hier gibts weitere Informationen zum Resort: Raja4Divers.
(Artikel erschienen im Migros-Magazin am 2. März 2020)