Wie wirken sich Infektionsrisiko, Kontaktsperre und die Situation am Arbeitsplatz auf das Leben daheim und draussen aus? Einblicke in den Alltag eines Risikopatienten, einer Familie mit Kindern im Home-Schooling, einer Künstlerin und einem Wirtenpaar.
Text: Rahel Schmucki
Lisa Christ (29), Kabarettistin und Slam-Poetin, Zürich
Lisa Christ, welche Folgen hat die Krise für Sie?
Meine Auftritte bis und mit 19. April sind abgesagt. Dabei wäre der Frühling für Künstlerinnen und Künstler eine einnahmestarke Zeit. Allein im April entgehen mir viele hohe Gagen. Das Geld wäre mein Polster für das Sommerloch gewesen, wenn praktisch keine Auftritte stattfinden.
Wie geht es Ihnen in dieser unsicheren Situation?
Es ist bedrückend. Ich fühle mich in der künstlerischen Existenz bedroht. Dass der Bundesrat nun finanzielle Hilfe versprochen hat, beruhigt mich ein wenig. Aber bis das Ganze abschliessend geregelt ist, mit all der damit verbundenen Bürokratie, bleibt die Unsicherheit.

Wie lange reicht Ihr Erspartes denn noch?
Wenn gar nichts reinkommt, bis Ende Mai. Aber ich habe ein gutes soziales Netz, Familie und Freunde, das mich im Notfall unterstützen könnte.
Zurzeit entstehen einige Initiativen für eine Lösung, wie sich in der Kleinkunst Geld verdienen lässt. Was haben Sie schon versucht?
Es gibt wirklich sehr viele Bestrebungen! Auf der Plattform steadyhq.com habe ich diverse Angebote aufgeschaltet. Man kann mich monatlich unterstützen und erhält etwa exklusiven Zugang zu neuen Podcastfolgen oder selbstgeschriebenen Postkarten. Zudem bin ich bei einer Streaming-Plattform dabei: sofakultur.ch. Diese bietet Videos von Künstlerinnen und Künstlern an. Und ich pflege weiter meinen Podcast «Faust und Kupfer» mit Miriam Suter, die Kolumne «Nachgesalzt» im Kulturmagazin «KOLT» und die «Zytlupe» im Radio SRF 1. Ich bin auch noch an anderen Projekten dran.
Isabelle Schmidt (27) und Simon Marty (29), Gastrobetreibende, Sion VS

«Vor gut einem Jahr haben wir mitten in Sion unser eigenes Café eröffnet, das Café des Châteaux – mit Konzerten, Ausstellungen und Spielabenden. Es lief gut, von Anfang an, war aber auch sehr anstrengend. Wir haben 2019 teilweise 12 bis 14 Stunden täglich in der Küche, im Service und im Büro gearbeitet. Nun mussten wir unsere Türen für unbestimmte Zeit schliessen. Das ist ein komisches Gefühl. Plötzlich haben wir ganz viel Zeit. Wir haben uns in eine einsame Berghütte zurückgezogen und erholen uns erst mal ein bisschen. Hier spielen wir Backgammon, lesen viel und zeichnen. Für unsere drei Angestellten haben wir Kurzarbeit angemeldet. Angst vor der Zukunft haben wir momentan aber nicht. Wir können von unseren Reserven noch ein Weilchen leben.»
David Eppenberger (50), Freier Agrarjournalist, Reinach AG

(Foto: zVg)
Als freier Agrarjournalist ist es David Eppenberger gewohnt, zu Hause zu arbeiten. Da kann er in Ruhe seine Texte schreiben. Oder er konnte es zumindest bis vor Kurzem: Seit die Schule geschlossen ist, sind seine drei Kinder, 9-, 13- und 15-jährig, jeden Tag zu Hause. «Statt Ruhe herrscht jetzt Dauerbetrieb», sagt Eppenberger. Anfangs waren seine zwei Buben und die Tochter noch viel draussen. Jetzt aber hat der Kanton Aargau alle Spiel- und Sportplätze geschlossen, Freunde zu tref- fen ist ohnehin nicht mehr möglich. «Wir leben zum Glück in einem grossen Haus mit Garten.» Und inzwischen haben die Kinder von der Schule auch Aufgaben erhalten. Eppenberger und seine Frau haben für sie ein kleines Schulzimmer eingerichtet, haben einen Tisch in einen Zwischengang ihres alten Bauernhauses gestellt. Das klappt. «In den Pausen machen sie gemeinsam Kraftübungen, die der Älteste von seinem Fussballtrainer auferlegt bekommen hat.» Nur Eppenberger selbst ist in diesen Tagen noch nicht wirklich zum Arbeiten gekommen.
Stefan Büsser (35), Radiomoderator bei SRF und Comedian

Stefan Büsser, Sie gehören mit ihrer Lungenkrankheit Cystische Fibrose und als Diabetiker zur Risikogruppe. Wie verhalten Sie sich?
Seit etwa einer Woche bleibe ich alleine zuhause in meiner Wohnung. Nur mein Hund leistet mir Gesellschaft. Für mindestens einen Monat werde ich mich hier isolieren und keinen physischen Kontakt zu anderen Menschen haben.
Fühlen Sie sich gesund?
Ich hatte in den letzten Tagen starken Husten, aber kein Fieber. Natürlich denkt man dabei gleich an Corona. Ich weiss aber nicht, ob ich mir das eingebildet habe, oder ob das wirklich Symptome waren. Heute geht es mir bereits wieder besser.
Wie gefährlich ist der Corona-Virus für Sie?
Das weiss niemand so genau. Wie sich das Corona-Virus auf Menschen mit Vorerkrankungen auswirkt, weiss man bisher vor allem aus Erfahrungen aus China. Da dort die Diagnose Cystische Fibrose nicht wirklich bekannt ist, weiss man nicht, welche Folgen das Virus für Menschen wie mich hat.
Fällt Ihnen die Isolation schwer?
Zwei oder drei Tage waren für mich nicht schwierig. Ich kann mit meinen Freunden und mit meiner Familie über Facetime telefonieren und sie sehen. Die nächsten Wochen werden aber sicher nicht einfach. Mein Hund hat noch nie so viel Aufmerksamkeit von mir bekommen, wie in diesen Tagen.
Was machen Sie den ganzen Tag alleine zuhause?
Ich bin zurzeit «radiobeurlaubt», kann also kein Radio machen. Das heisst ich kümmere mich zuhause um Videos, Social Media und gebe viele Interviews. Jeden Tag gehe ich viermal mit meinem Hund im Wald spazieren – immer mit Sicherheitsabstand zu anderen Spaziergängern und Joggern – und meditiere etwa eine Stunde pro Tag.
Haben Sie einen Tipp, wie man diese Zeit am besten übersteht?
So gut wie möglich ablenken und Corona nur in alkoholischer Form konsumieren (lacht). Nein ehrlich, ich versuche nur ein- oder zweimal täglich auf den Newsticker zu schauen und mich nicht wahnsinnig zu machen.
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(Artikel erschienen im Migros-Magazin vom 30. März 2020)