Samichlaus und Schmutzli bleiben wegen Corona dieses Jahr zu Hause. Mit Whatsapp und Video finden sie dennoch den Weg zu den Kindern.
Text: Rahel Schmucki Bilder: Roger Hofstetter
Um 18 Uhr läuten die Glocken der katholischen Kirche St. Anton. Der Samichlaus setzt gerade seine Bischofsmütze auf und zupft die grauen Haare zurecht. Der Schmutzli schmiert sich mit einem Schwamm schwarze Farbe ins Gesicht. Nach einem letzten Blick in den Spiegel setzt sich der Mann im roten Gewand auf einen samtenen Stuhl und schlägt sein Buch auf: «Liebe Tim, liebi Linda», liest er vor. «Natürlich hoff ich, dass ihr uf euchi Eltere losed und uf euchi Gspändli ufpassed.»
Neben dem Samichlaus steht sein Diener, ein Junge in rotem Rock, weissem Hemd und rotem Kragen. In der einen Hand hält er eine Glocke, in der anderen den goldenen Bischofsstab seines Meisters. Im Hintergrund packt der Schmutzli Nüssli und Manderinli in einen kleinen Jutesack. Auf den ersten Blick wirkt es fast wie ein normaler Nikolausbesuch. Wäre bloss nicht Mitte November und würde der Chlaus nicht mit einer Kamera sprechen.
2020 ist alles anders. Wegen Corona kann die Luzerner Chlausgesellschaft St. Anton und St. Michael keine Familien besuchen. «Das Risiko einer Ansteckung ist einfach zu gross», sagt Thomas Walpen, der die Besuche organisiert. Für ihn war schnell klar: Es muss eine Alternative her. Und so redet Sankt Nikolaus jetzt in die Kamera: «Ich finds schad, dass ich das Johr ned zo euch i euchi gueti Stobe chan cho. Dromm probier ichs emol met de moderne Technik.»
Ist Birk ein Junge?
In einem normalen Jahr besuchen die Samichläuse rund 180 Familien. Damit die Kinder dieses Jahr nicht ganz auf den Nikolaus verzichten müssen, lag Anfang November ein Flyer in den Luzerner Briefkästen. Wer sich angemeldet und die Namen seiner Kinder geschickt hat, erhält ein persönliches Video vom Samichlaus zugeschickt. Per Whatsapp. «Zudem liegt für jedes Kind eine kleine Überraschung im Briefkasten», verrät der Chlaus-Chef Walpen. Für die Familien ist das Angebot kostenlos. Die Idee stösst auf Anklang, bis zum Ablauf der Anmeldefrist Mitte November haben sich 94 Familien angemeldet. «Wir rechnen auch damit, dass sich noch weitere Familien verspätet anmelden. Dafür haben wir ein allgemeines Video ohne direkte Ansprache an die Kinder aufgenommen.»
An diesem Abend wollen der Samichlaus und seine Helfer 30 bis 40 Videos aufnehmen. Der Text bleibt jeweils der gleiche, nur die Kindernamen ändern sich. Doch das stellt sich bereits als schwieriger heraus als gedacht. «Ist Birk ein Junge oder ein Mädchen?», fragt der Nikolaus, bevor der Kameramann erneut auf den Aufnahmeknopf drückt. Thomas Walpen zückt sein Handy, um den Namen zu googeln. «Ein Junge», findet er heraus. Auch die Aussprache müssen sie bei einigen Namen zuerst diskutieren. Sonst gebe es bei Besuchen vor Ort da Tricks. «Ich frage dann: Und wen haben wir denn hier?», sagt der Samichlaus. So können sich die Kinder gleich selber vorstellen, und er höre somit die korrekte Aussprache der Namen. «Das fällt hier leider weg. Aber wir geben unser Bestes.»
Der Kameramann gibt das Zeichen für die nächste Aufnahme, und es wird ganz still im Saal. Denn das Mikrofon nimmt alle Umgebungsgeräusche auf. «Liebe Jéromy, liebi Joseline», hebt der Samichlaus zur nächsten Nachricht an.
Nach der 20. Aufnahme beginnt die Kirchenglocke erneut zu läuten. Es ist 19 Uhr, und der Nikolaus darf eine Pause machen. Er bekommt ein Glas Wasser mit Strohhalm, damit er trotz des langen Barts trinken kann. Für den Schmutzli und den Diener stehen Mandarinen und Erdnüsschen bereit. Dann geht es weiter. Nochmals 20 Familien stehen auf der Liste vom Samichlaus. Über 40 Kinder, die er nicht enttäuschen will.
So machen es die anderen
Viele Chlausgesellschaften haben Besuche und Anlässe abgesagt. Mehrere haben aber eine kreative Alternative gefunden – drei Beispiele:
Die Rute kommt auf Zoom
In Zürich kommt der Samichlaus dieses Jahr über Zoom in die Wohnzimmer. Normalerweise besuchen Zürcher Samichläuse etwa 700 Familien. Dieses Jahr haben rund 80 eine virtuelle Feier gebucht. Für 30 Minuten tritt der Samichlaus mit seinem Schmutzli auf dem Bildschirm auf. «Vom 3. bis 6. Dezember sind bis zu vier Teams gleichzeitig im Einsatz», sagt der Zürcher Chlaus-Chef Siegfried Bosshard. Er organisiert jedes Jahr die Chlausbesuche. Die St. Nikolausgesellschaft hat virtuell zwei Räume mit «Waldhüsli»-Hintergrund eingerichtet und dafür ein professionelles Studio angemietet. «Damit dann bei den Familien technisch alles klappt, haben wir mit den Chläusen und Schmutzlis einen Testlauf gemacht», erklärt Bosshard.
Der Nikolaus live im Fernsehen
In Freiburg kann 2020 bei der traditionellen Nikolausfeier der Einzug des Sankt Nikolaus und die Rede des Schutzpatrons nicht stattfinden. Axel Loup, Organisator des jährlichen Festes, hat sich deshalb etwas Spezielles ausgedacht: Die Rede von Sankt Nikolaus wird im Regionalsender «La Télé» ausgestrahlt. «Den Einzug können wir leider nicht ersetzen, aber so können die Menschen wenigstens die Rede live mitverfolgen», sagt Loup. Zu sehen ist die Ansprache, die zwischen Französisch und Deutsch hin- und herwechselt, am 5. Dezember um 18 Uhr.
Der Chlaus liest eine Geschichte
In Wohlen AG werken gleich drei Schmutzlis vor einer Hütte im Wald. Drinnen vor dem Kamin sitzt der Samichlaus und schaut in ein dickes Buch. Der Verein Sankt Nikolaus Wohlen hat auf seiner Website ein Video aufgeschaltet, in dem der Samichlaus selbst erklärt, weshalb er dieses Jahr nicht kommen kann. Um Kindern aber trotzdem eine Freude zu machen, liest er eine Samichlaus-Geschichte vor. Das ganze Video: stnikolaus-wohlen.ch/video-2020
(Artikel erschienen im Migros-Magazin vom 30. November 2020)